Es werden verschiedenste Gründe als Ursache für Burnout gesehen: Hohes Arbeitsvolumen, anstrengende Pflege von Angehörigen, Perfektionismus, hohe Leistungsansprüche, das Nicht-Nein-Sagen-Können und vieles mehr. Weniger im Fokus stehen dabei Kränkungen. Doch gerade die spielen eine große Rolle. – Autor: GS

Kränkungen sind psychische Verletzungen. Ausgangspunkt können zum Beispiel Demütigungen, Enttäuschungen, Beleidigungen, Verleumdungen, Beschämung, Mobbing bzw. Ausgrenzung, Nichtbeachtung oder Verlassen-Werden sein. Je näher uns die Person, die uns kränkt, steht, desto stärker ist die Kränkung. Oft können verhältnismäßig kleine Dinge, die vom Kränkenden unbeabsichtigt erfolgen, große psychische Verletzungen verursachen. Reinhard Haller beschreibt in seinem Buch „Die Macht der Kränkung“ den Fall eines Amokläufers, der für die Bluttat in seiner Schule als Hauptgrund angibt, dass acht Jahre zuvor niemand mit ihm ein Zimmer beim Schulausflug teilen wollte. (1)

 

Angriff auf den Selbstwert

Kränkungen greifen unseren Selbstwert an. Sie treffen uns dann härter oder schwächer je nachdem wie ausgeprägt unser Selbstwert ist. So sind Menschen mit einem hohen Selbstwert weniger leicht kränkbar bzw. verarbeiten sie die Kränkung besser. Menschen mit geringem Selbstwert hingegen können schnell psychisch verletzt werden. Die Bedrohung für ihr Selbstkonzept ist so groß, dass sie das kränkende Ereignis verdrängen oder auf Rache sinnen. Der Vollzug eines Racheaktes ist der Versuch seinen Selbstwert wiederherzustellen.

Doch nicht jede Kränkung betrifft uns gleichermaßen. Oft gibt es einen „wunden Punkt“ oder ein Thema, das für unseren Selbstwert wichtig ist. Verletzende Erfahrungen aus der Vergangenheit, die nicht aufgearbeitet wurden, können uns dabei heute wieder einholen. Wer z.B. als Kind zu wenig Beachtung von seinem Vater erfahren hat, ist besonders gekränkt, wenn ihm als Erwachsener sein Chef ebenfalls keine Aufmerksamkeit schenkt.

Die Kränkbarkeit eines Menschen hängt also zum einen von frühen Zurückweisungen, Verletzungen und Traumata ab, zum anderen von der Art der Verarbeitung des Erlebten. (2) Aber egal, wie gut jemand mit psychischen Verletzungen umgehen kann, jeder Mensch ist kränkbar!

 

Kränkungen im Beruf

Im Arbeitsumfeld sind wir besonders leicht kränkbar. Woher kommt das? Die berufliche Position und Tätigkeit wird oft als wichtige Komponente des gesellschaftlichen Ranges gesehen und hat somit einen großen Einfluss auf den Selbstwert. Kritik oder Herabwürdigung der eigenen Arbeitsleistung trifft uns daher besonders. Aus dieser Sicht ist es verständlich, dass auch arbeitslose Menschen an Burnout (oder Bore out) leiden können. Die Kränkung einer Kündigung, der Verlust der gesellschaftlichen Stellung einhergehend mit niedrigerem Selbstwert und eine ungewohnte, unerträgliche Langeweile können so zu Depressionen führen.

 

Die Frustrations-Kränkungs-Spirale

Haller spricht in seinem Buch auch von einer Frustrations-Kränkungsspirale (3). Der Gekränkte verarbeitet seine Wut und Minderwertigkeitsgefühle, indem er seinerseits jemand kränkt, um damit seine Selbstachtung wiederherzustellen. Auf diese Art werden immer mehr Personen zu Gekränkten und Kränkenden. So gesehen können auch Einzelpersonen in einer Gruppe, egal ob im privaten oder beruflichen Umfeld, das zwischenmenschliche Klima „vergiften“. Zum Beispiel kann das kränkende Verhalten eines Vorgesetzten dazu führen, dass sich auch die Mitarbeiter untereinander verletzend verhalten. Die Kränkungsspirale kann sich auch zwischen zwei Menschen vollziehen. Dann kann aus einer liebevollen Beziehung eine Hassbeziehung werden.

 

Kränkungen und Burnout

Was haben nun Kränkungen mit Burnout zu tun? Psychische Verletzungen wirken sich stets negativ auf den Selbstwert aus und ist dieser angegriffen, wird Dysstress ausgelöst (4), also negativer Stress: Der Blutdruck steigt, es werden vermehrt Stresshormone ausgeschüttet, die Verdauungstätigkeit wird zurückgefahren. Wird nun die Kränkung regelmäßig erfahren, oder wird man ständig an die Kränkung erinnert, befindet man sich im Dauerstress. Ist jemand zum Beispiel in der Arbeit Mobbing ausgesetzt, so wird diese Person an jedem Tag mit einem höheren Erregungsniveau an seiner Arbeitsstelle sein. Das führt langfristig zu körperlichen Schäden, ganz nach dem Sprichwort von Hildegard von Bingen „was kränkt macht krank“. Auch Burnout kann eine Folge von Kränkung sein.

(1) Haller, Reinhard (2015): Die Macht der Kränkung, S 31; Wals bei Salzburg: Ecowin Verlag bei Benevento Publishing

(2) Wardetzki, Bärbel (2016): Eine Ohrfeige für die Seele, S 99; München: dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, 15. Auflage

(3) Haller, Reinhard (2015): Die Macht der Kränkung, S 57ff; Wals bei Salzburg: Ecowin Verlag bei Benevento Publishing

(4) Haller, Reinhard (2015): Die Macht der Kränkung, S 154; Wals bei Salzburg: Ecowin Verlag bei Benevento Publishing

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