Dankbarkeit. Leichtigkeit. Freude im Herzen. Diese drei Dinge beschreiben am besten, was ich gerade empfinde. Zurück von einem Wochenende hinter Klostermauern grinse ich immer noch von einem Ohr zum anderen. „Das Aushalten in der Stille, also in der Gegenwart Gottes, das ist wohl das beste Mittel zur Stressbewältigung und gegen Burnout“, so hat es Bruder Rudolf heute Vormittag erst in seinen Abschlussworten an die Gruppe auf den Punkt gebracht. Und so will ich natürlich auch hier am Blog vom Stresskiller Schweigen berichten und einen Einblick in meine letzten vier Tage im Kloster geben. – Autorin: GF

 

Es ist schon mein drittes Mal in Irdning (Anm.: Steiermark). Und trotzdem bin ich wieder ein bisschen aufgeregt und neugierig, wie es wohl werden wird, als ich am Donnerstagnachmittag mit meinem Auto vor dem kleinen Kapuzinerkloster parke. Es sind schon einige Leute da und nach dem ersten Einrichten in der einfachen, aber gemütlichen Klosterzelle geht es ans Kennenlernen. Am ersten Abend darf noch gesprochen werden, beim Abendessen im Refektorium, dem großen, ehrwürdigen Speisesaal. In der Vorstellungsrunde berichten die 16 Frauen und 5 Männer von ihrem Alltag. Welche Themen es sind, die sie gerade bewegen, welche seelischen Lasten sie in ihrem Rucksack mit ins Kloster getragen haben und was sie sich von der Stille der folgenden Tage erhoffen. Nach ein paar einleitenden Worten und den letzten organisatorischen Anweisungen geht’s dann auch wirklich ins Schweigen. Von nun an wird zweieinhalb Tage und drei Nächte lang nur das Allernötigste gesprochen.

 Wohltuende Routinen

Die Nächte im Kloster dauern lang. Nach dem „Abendprogramm“ gehen fast alle gegen 21 Uhr schlafen. Was gäbe es auch sonst zu tun? Während den „Tagen der Stille“ sind weder Handy noch Musik oder Bücher erlaubt. Selbstredend gibt es nirgendwo einen Fernseher und auch im Gemeinschaftsraum warten keine Gesellschaftsspiele auf die Gruppe. Es geht um das Entkoppeln von der Außenwelt und von allen Beschäftigungen, die mich von mir selbst ablenken könnten. Jeder ist für sich da und nur im Stillen mitgetragen von den anderen Teilnehmern.

Am nächsten Morgen das erste Frühstück im Schweigen. Wie viel besser schmeckt der warme Haferbrei mit dampfendem Apfelmus, wenn dabei kein Smalltalk geführt wird! Wie unglaublich intensiv nehme ich den Geschmack und die Konsistenz von Bauernbrot und selbst gemachter Butter wahr! Ich frage mich, wo all diese Empfindungen bloß im Alltag bleiben. Und dann geht es los. Die erste Einheit führt die Gruppe in die Natur. Wir sollen wahrnehmen, achtsam sein, die Umwelt mit all unseren Sinnen aufnehmen. Zum Glück ist es ein wunderbar goldener Herbsttag. Die Sonne strahlt vom Himmel und die Farben des Waldes geben ein beeindruckendes Schauspiel. Dort ein Vogel, da das Rauschen des Baches, dort ein vorbeifahrendes Auto und dabei immer meine Schritte im raschelnden Laub. Da fällt es leicht, nicht in Gedanken an Zuhause, an die Arbeit oder an die bevorstehende Woche zu verfallen.

Viel schwieriger wird das schon am Nachmittag, als wir uns dann alle sitzend am kleinen Holzschemel und in Decken gewickelt im Meditationsraum wiederfinden. Eine zunächst noch angeleitete Wahrnehmungsübung wird in den nächsten Tagen zum Meditieren in vollkommener Stille. Jeweils 20 Minuten in Ruhe verharren, fokussiert auf den Atem, die Hände oder ein stilles „Ja“. Am zweiten Tag fällt mir das besonders schwer, da mein Rücken weh tut und ich fast jedes Mal froh bin, wenn der erlösende Gong endlich eine Einheit beendet. Zwischendurch komme ich aber auch in einen ganz tiefen Zustand der Entspannung, ja fast ein leichtes Weggetreten sein, wenn ich ganz eins bin mit meinem Atem und fern jeglicher Alltagssorgen und Ängste.

Der Klosteralltag verläuft in recht festen Bahnen, Frühstück, Meditation, Qi Gong, Mittagessen, Nachmittagsschlaf, Meditation, Impuls und Zubettgehen. Das, was ich zu Hause so gar nicht schaffe in meinem manchmal sehr bunten und unsteten Leben, wird hier zur wohltuenden und erholsamen Routine.

Ora et labora

Bete und Arbeite. Das alte benediktinische Motto gilt auch für die kontemplativen Exerzitien in Irdning. Jeder Teilnehmer wird gebeten, während seiner Zeit im Kloster ein wenig mitzuhelfen. Beim Abwasch, im Garten, beim Sauberhalten der Gänge oder beim Zubereiten der Mahlzeiten. Es soll nicht länger als eine Stunde pro Tag sein und doch finde ich Freude am stillen Zusammenarbeiten mit zwei Mitschweigerinnen in der Küche. Obwohl es da außer ein paar kurzen, geflüsterten Fragen keinen Austausch gibt, verstehen wir uns gut und genießen das meditative Geschirrabtrocknen. Auch abseits der Hausdienste entstehen stille Bande zwischen mir und den anderen Teilnehmern: Ein aufmunterndes Lächeln im Vorbeigehen, ein wohlwollendes Brotreichen und Teenachschenken, ein Türaufhalten, wenn jemand gerade keine Hand frei hat.

Wer sich schwer tut mit christlichem Gedankengut, der könnte – so fürchte ich – keine so rechte Freude mit der Auszeit im Kloster haben. Die Kapuziner in Irdning legen zwar Wert darauf, dass jeder selbst entscheiden kann, wie er es mit seinem Glauben hält. Trotzdem gehören religiöse Ansprachen, die Einladung zum Gottesdienst und das Gebet, zu dem die Meditation letztlich hinführt, zu den fixen Bestandteilen der „Tage der Stille“.

Stille als Mittel zur Stressbewältigung

Es ist kein Zufall, dass einige der Teilnehmer von großem Leistungsdruck, zunehmendem Stress und seit Jahren zu kurz gekommener Erholung erzählen. Das Tempo und der Lärm unseres Alltags schüren die Sehnsucht nach Ruhe, Entschleunigung, Zeit zum Abschalten und um über sein Leben nachzudenken. All das erlebe ich beim Zurückziehen hinter die steirischen Klostermauern und auch die hektischen Vielflieger in der Gruppe erzählen in der Abschlussrunde von einem erholsamen Effekt, den sie schon nach den wenigen Tagen in der Stille spüren. Besonders hängen bleiben mir die fünf zentralen Tipps, die wir alle am Ende des letzten Tages mit auf den Weg bekommen. Es sind die sogenannten 5 Prioritäten nach Franz Jalics, dem Begründer der kontemplativen Exerzitien[1], nach denen wir unser Leben ausrichten sollen:

  1. Ausreichend und guter Schlaf
  2. Achtsamer Umgang mit unserem Körper, dh. Bewegung und ausgewogene Ernährung
  3. Zeit für Stille und Meditation
  4. Gute Beziehungen zu Freunden und anderen Menschen
  5. Unsere Arbeit

Spannend finde ich, dass viele von uns diese Liste im Alltag vermutlich genau andersherum erleben und die meiste Zeit und Bedeutung ihrer Arbeit beimessen. Gerade deshalb kann ich diesen 5 Prioritäten auch im Sinne der Burnoutprävention einiges abgewinnen und nehme diesen Impuls gemeinsam mit den wunderbaren Erfahrungen, die ich auch dieses Mal in vier Tagen des Schweigens gemacht habe, mit nach Hause. Bis zum nächsten Mal.

Mehr Informationen zu Tagen der Stille im Kapuzinerkloster Irdning sowie in anderen Klöstern in ganz Österreich finden sich auf http://www.kapuziner.at/wo-wir-sind/irdning/klostergemeinschaft bzw. auf http://www.gastimkloster.at/tage-der-stille

Artikeldownload

 

[1] Jalics, Franz (1994): Kontemplative Exerzitien. Eine Einführung in die kontemplative Lebenshaltung und in das Jesusgebet. Würzburg., S. 364-366.

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