Hier am Blog dreht sich alles um die Themen Burnout vermeiden und Stressbewältigung. Der Großteil unserer Beiträge setzt sich also mit Strategien auseinander, die einem Ausbrennen vorbeugen sollen. Heute möchte ich aber auf die Frage eingehen: Was tun, wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin bereits erkrankt ist? Was kann ein Unternehmen dazu beitragen, eine verminderte Arbeitsfähigkeit bei Betroffenen wiederherzustellen und wie können Mitarbeiter nach ihrer Rückkehr aus einem längeren Krankenstand wieder gut am Arbeitsplatz integriert werden? – Autorin: GF

M. hat mehr als 2 Jahre über ihre Kräfte hinaus gearbeitet, war mit Herzblut für ihren Job im Einsatz, ist auch in schwierigen Veränderungsphasen zum Unternehmen gestanden und hat dabei ihre körperlichen Symptome immer wieder hintangestellt. „Es wird schon vorbeigehen.“ „Für den Arzttermin habe ich grad keine Zeit.“ „Nach diesem Projekt wird’s eh leichter.“ „Die neue Führungskraft bringt uns bestimmt Stabilität“. Ihre Hoffnungen haben sich leider in Luft aufgelöst und plötzlich ging einfach nichts mehr: Krankenstand! Zuerst 3 Wochen, dann 6 und schließlich waren es 3 Monate. Irgendwann hatte sie sich mit dem Arbeitgeber geeinigt, das Dienstverhältnis aufzulösen. Sie würde ja ohnehin nicht mehr an den alten Arbeitsplatz zurückwollen.

M. ist mit ihrer Geschichte nicht allein. Viele Unternehmen wissen nicht so recht, wie sie mit Mitarbeitern umgehen sollen, wenn diese über längere Zeit krank sind und danach nichts mehr so ist wie vorher. Das Hamsterrad hat sich in der Zwischenzeit nämlich weitergedreht. Neue Projekte sind da, Kollegen haben die Aufgaben des abwesenden Mitarbeiters übernommen, vielleicht ist mittlerweile sogar eine neue Kraft eingestellt worden – schließlich wusste ja keiner, „wie lange das noch dauert mit dem Krankenstand“. Und eines ist sicher: Kaum ein Burnout-Rückkehrer kann in der alten Geschwindigkeit dieselbe Arbeitsmenge wie vor seinem Zusammenbruch bewältigen. Damit Mitarbeiter aber trotz verminderter Arbeitsfähigkeit im Unternehmen bleiben können und es nicht ausgeht wie im Fall von M., braucht es ein systematisches Eingliederungsmanagement. Einen Plan B für den Fall der Fälle.

Arbeitsfähigkeit erhalten, fördern, wiederherstellen

Wenn wir von Eingliederungsmanagement oder Wiedereingliederung sprechen, steht zunächst der Begriff der Arbeitsfähigkeit im Raum. Damit beschreibt der finnische Prof. Dr. Juhani Ilmarinen das Gleichgewicht zwischen dem, was eine Person leisten kann bzw. will und dem, was sie an Anforderungen und Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz vorfindet. Nur wenn Ressourcen (körperliche und psychische Gesundheit, Fähigkeiten und Kompetenzen sowie Motivation und Werte) und Anforderungen (Führung, Arbeitsbedingungen, Arbeitsmittel) miteinander in Balance sind, spricht man von einer optimalen Arbeitsfähigkeit.[1]

Die wenigsten Menschen gehen von heute auf morgen in Krankenstand. In den Tagen, Wochen oder Monaten davor zeigen sich meist schon Signale von Überforderung und Belastung, erste Beschwerden treten auf, die Konzentration lässt nach, die Fehlerhäufigkeit steigt. Das Arbeitsfeld für Eingliederung beginnt also schon, wenn ein Mitarbeiter noch gar nicht im Krankenstand ist, sondern während er noch pflichtbewusst aber bereits angeschlagen beim Schreibtisch sitzt.

Betriebliches Eingliederungsmanagement

Phasen verminderter Arbeitsfähigkeit, Quelle: fit2work, eigene Darstellung

Ähnlich verhält es sich mit dem Zeitraum unmittelbar nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz. Auch da heißt es: langsam wieder eingewöhnen, schauen, was geht und was eben (noch) nicht. Von voller Einsatz- und Leistungsfähigkeit kann man also auch hier nicht sprechen.

Neben der Betrieblichen Gesundheitsförderung, die beim gesunden Mitarbeiter ansetzt (Primärprävention), hat das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) also vor allem gefährdete und bereits beeinträchtigte Personen im Fokus und setzt somit im Bereich der Sekundärprävention (vor dem Krankenstand) und Tertiärprävention (nach dem Krankenstand) an.

Ansätze zur (Wieder)Eingliederung belasteter Mitarbeiter

Was können Arbeitgeber nun also tun, um Krankenstände von bereits belasteten Mitarbeitern vorzubeugen oder Rückkehrer so in den Arbeitsprozess einzugliedern, dass sie nicht gleich wieder überfordert werden? Mögliche Strategien für das Eingliedern bzw. Wiedereingliedern von Mitarbeitern unterteilen sich in die folgenden 3 Phasen: Den Zeitraum vor einem Krankenstand, die Phase des Krankenstandes selbst und die Wochen und Monate nach einer längeren Abwesenheit.

Vor dem Krankenstand: Warnsignale erkennen und Mitarbeiter empowern

  • Durch den Einsatz von Diagnostikinstrumenten wie den WAI (Work Ability Index), z.B. im Zuge eines individuellen Arbeitsbewältigungs-Coachings oder mittels schriftlicher Erhebung (Fragebogen ABI Plus), können erste Anzeichen von verminderter Arbeitsfähigkeit aufgedeckt und frühzeitig Interventionen ermöglicht werden.
  • Je aufmerksamer Führungskräfte in Hinblick auf ihre Mitarbeiter sind, desto eher können Sie Veränderungen wie z.B. plötzlichen Leistungsabfall oder auffälliges Sozialverhalten bemerken.
  • Sobald solche oder ähnliche Signale wahrgenommen werden, kann der Mitarbeiter von einer Vertrauensperson zu einem Gespräch eingeladen In diesem Rahmen soll besprochen werden, was es braucht, damit er wieder gut, wohlbehalten und mit Freude seiner Arbeit nachgehen kann.
  • In einem frühen Stadium verminderter Arbeitsfähigkeit können auch Gruppenmaßnahmen noch dazu dienen, belastete Mitarbeiter in ihren Ressourcen zu stärken und sie zu empowern.

Während des Krankenstands: Ängste nehmen und Perspektiven schaffen

  • Viele Unternehmen glauben, dass sie ihre Mitarbeiter während eines Krankenstandes nicht kontaktieren dürfen. Das gilt auch definitiv für ungeduldige Anrufe des Chefs, in denen er sich erkundigt, wann denn der Mitarbeiter endlich wieder zurück an die Arbeit kommt. Während eines Langzeitkrankenstandes, der sich über mehrere Wochen oder Monate zieht, kann es aber durchaus hilfreich sein, guten, wertschätzenden Kontakt zum erkrankten Mitarbeiter zu halten. Das kann eine Genesungskarte der Führungskraft sein, ein aufmunterndes Telefonat oder eine kleine Aufmerksamkeit des Teams.
  • Betriebe, die ein systematisches Eingliederungsmanagement betreiben, schicken auch ab einem festgelegten Zeitpunkt (z.B. am 21. Krankenstandstag) einen Infobrief mit Folder an den erkrankten Mitarbeiter. Darin befinden sich Infos über mögliche Unterstützungsangebote und der Kontakt einer Vertrauensperson im Unternehmen, die helfen soll, eine gute Rückkehr für den Mitarbeiter zu planen.
  • In Österreich stehen viele Förderangebote im Bereich der medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation zur Verfügung. Diese können ebenfalls schon während des Krankenstandes beantragt und gestartet werden.

Nach dem Krankenstand: Empathie beweisen und flexibel sein

  • Auch, wenn schon während des Krankenstandes mit dem Mitarbeiter ein Wiedereingliederungsplan erstellt wurde, ist ein Willkommensgespräch am ersten Arbeitstag mit der Führungskraft zu sehr wichtig.
  • Je nachdem wie es um die Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters steht, können unterschiedliche Wege für eine möglichst gesunde Rückkehr eingeschlagen werden: Ob stufenweise Arbeitszeitregelungen (langsames Steigern der Arbeitsstunden pro Woche), veränderte Tätigkeitsbereiche, ergonomische Anpassungen oder – falls der ursprüngliche Job nicht mehr ausgeübt werden kann – eine Umschulung auf einen neuen Beruf. Übrigens: Ab dem 1.7.2017 tritt außerdem das Wiedereingliederungsteilzeitgesetz (kurz: WIETZ) in Kraft. Dieses Gesetz regelt einen sanfter Wiedereinstieg in den Arbeitsalltag und ermöglicht eine befristete Reduzierung von Arbeitszeit (25-50% der wöchentlichen Normalarbeitszeit) für eine Dauer von bis zu 6 Monaten unter Gewährung eines Wiedereingliederungsgeldes für den Arbeitnehmer.[2]

 

Ziel sämtlicher Eingliederungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen ist die möglichst langfristige Sicherung von Arbeits- und Erwerbsfähigkeit. Unternehmen sollen keinen Mitarbeiter aufgrund von physischen oder psychischen Erkrankungen verlieren, sondern das wertvolle Know-How erhalten und Übergangsprozesse für den Betrieb, für die Kollegen und den beeinträchtigten Mitarbeiter selbst proaktiv und gut gestalten.

Unternehmen, die sich diesem Thema systematisch widmen wollen, können sich für die freiwillige und kostenlose fit2work Betriebsberatung anmelden. Eigens dafür qualifizierte und zertifizierte Berater (wie auch die Autorin) sind in diesem Zusammenhang in ganz Österreich unterwegs. Mehr Informationen dazu finden sich auf www.fit2work.at oder gern auch beim Autorenteam unter kontakt@burnoutvermeiden.at

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[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitsfähigkeit (30.3.2017)

[2] RIS – Rechtsinformationssystem (2016): „Wiedereingliederungsteilzeitgesetz“, online unter https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Begut/BEGUT_COO_2026_100_2_1286107/COO_2026_100_2_1286129.html oder Wirtschaftskammer Österreich (2016): „Wiedereingliederungsteilzeitgesetz“, online unter https://www.wko.at/site/Erfolge/Wiedereingliederungsteilzeitgesetz.html (30.3.2017)

 

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