Ein überhöhter Leistungsanspruch, Stress und die damit verbundenen Konsequenzen sind mittlerweile ein viel diskutiertes Thema. Um dafür einen Ausgleich zu schaffen, sollten wir eine „Work-Life Balance“ leben, entspannt und gelassen sein, die innere Ruhe finden, im Hier und Jetzt sein und vor allem sollten wir „glücklich“ sein. In fast allen Zeitschriften und Ratgebern findet man Tipps und Tricks, um diesen erstrebenswerten Zuständen näher zu kommen. Außerdem sollten diese Errungenschaften möglichst effizient und dauerhaft erreicht werden. Für mich klingt das mehr nach Leistung als nach Wohlbefinden. In diesem Artikel möchte ich ein paar Denkanstöße zum Thema Glück anbieten, die den Stress, um jeden Preis glücklich sein zu müssen, entschärfen können.- Autor: Caterina
Auf der Suche nach Literatur zu dem Thema „Glück“, durchsuchte ich unter anderem die Regale verschiedener Buchhandlungen. Am Ende stellte ich fest, dass ich schon auf der Suche nach geeigneten Ratgebern überfordert war. Es klingt wie ein Punkt auf der täglichen To-Do-Liste, „glücklich sein“ zu müssen. Als ob man das Glück mit samt dem Ratgeber kaufen und für immer konservieren könnte, wenn man nur alles richtig und regelmäßig befolgt. Damit könnte man auf alle Fälle „besser“ und/oder schneller dauerhaft glücklich werden.
Glück, Entspannung und andere Wohlfühlbegriffe
Bei vielen Ratgebern rund um das Thema Glück lässt sich nur noch schwer unterscheiden, ob es sich nun um Glück, Entspannung oder Gelassenheit, etc. handelt. Die Begrifflichkeit verschmilzt. Ist man entspannt und gelassen, sei man auch glücklich und umgekehrt. Das klingt einfach und erreichbar.
Dabei sollte man allerdings bedenken, dass eine Entspannungsmethode das Ziel hat, eine bestimmte Wirkung herbeizuführen, nämlich sich mental oder körperlich zu entspannen. Nicht mehr und nicht weniger. Das Versprechen dabei auch glücklich zu werden, halte ich für fragwürdig, denn wenn dieser Erfolg dann ausbleibt, ist man enttäuscht. Man wird sich am Ende fragen, warum kein Glücksgefühl eintritt und warum das aber bei anderen anscheinend schon funktioniert. Eine falsche Erwartungshaltung kann vermieden werden, indem man sich bewusst macht mit welchem Ziel man sich entspannt oder einen Yoga Kurs besucht, meditiert oder eine Wellnessanwendung in Anspruch nimmt.
Das Glück im Vergleich
Die Maßstäbe von Glück werden immer wieder auf einen Nenner gebracht und mess- und vergleichbar dargestellt. Je mehr man darüber liest, desto mehr bekommt man das Gefühl, zu wenig für sein Glück zu tun. Da muss noch mehr gehen. Andere schaffen das auch. In diesem Sinne scheint das Streben nach Glück nichts weiter als ein Konkurrenzkampf mit anderen vielleicht „Glücklicheren“ zu sein.
Seit Einzug der Social Media Plattformen, sind wir alle daran beteiligt diese Maßstäbe zu setzen. Wir posten die schönsten Urlaubsbilder mit Filtern versehen, das beste Essen oder die schmeichelhaften von seitlich oben fotografierten „Selfies“. Die meisten Profile auf Facebook und Co. wirken, als ob alle ständig entspannt, gut gelaunt und vor allem glücklich durchs Leben laufen. Obwohl wir uns vielleicht bewusst sind, dass es nur eine künstlich geschaffene Welt ist, sind wir versucht uns an genau dieser Welt zu messen.
Das Streben nach Glück wird so zu einer Herausforderung und zu einem Wettkampf mit anderen Suchenden.
„Man will nicht nur glücklich sein, sondern glücklicher als die anderen. Und das ist deshalb so schwer, weil wir die anderen für glücklicher halten, als sie sind.“
Charles de Secondat, Baron de la Brède et de Montesquieu (1689-1755).
Wer nun ohnehin schon an die Grenzen seiner Belastbarkeit und Widerstandskraft stößt, wird eher Stress dabei empfinden das Glück zu suchen, wenn das Erlangen von Glück wie eine Leistungsperformance gehandelt wird.
Um sich von dem vermeintlichen „Glück“ der anderen zu distanzieren kann man sich bewusst machen, dass Glück individuell ist und von jedem anders erlebt wird. Es kann daher gar keinen Wettkampf ums Glück geben.
„Wir sind unseres eigenen Glückes Schmied“.
Dieser Satz ist mir schon häufig ins Auge gestochen.
Ist die Aufforderung „sei glücklich“ oder „finde den Weg zum Glück“ denn überhaupt aktiv zu bewältigen? Kann man das Glück planen und umsetzen? Dazu muss man sich erst fragen, was denn Glück überhaupt ist.
Zahlreiche Denker, Philosophen und Psychologen haben sich mit diesem Thema beschäftigt. Im Rahmen der Stressvermeidung, schienen mir ein paar Ideen und Ansätze zu diesem Thema nicht nur passend sondern auch entlastend.
Der Philosoph Wilhelm Schmid beispielsweise beschreibt das eigentliche Glück, als „das Glück, das daraus entsteht, dass ich einverstanden bin mit meinem Leben, mit all seinen Widersprüchen, Höhen und Tiefen.“ Für Schmid erleben wir das Glück in vielen einzelnen Momenten (Glücksmomenten), können es aber nicht in einem Dauerzustand festhalten. Diese Momente können Zufall sein oder aber auch ein wenig von jedem selbst hervorgerufen werden (1).
Jeder kennt für sich die Ingredienzien, die er braucht um einen solchen Moment herbeizuführen. Bei dem einen ist es die Stille in der Natur, bei dem anderen vielleicht eine Tasse Kaffee in der Früh.
Glück ist also nicht nur individuell und wird von jedem anders empfunden, sondern es besteht aus einzelnen Momenten und kann nicht dauerhaft mit aller Kraft festgehalten werden.
Mein Blog-Kollege Gerd sieht das ähnlich und würde an dieser Stelle sagen, „Glück ist vielmehr die Summe aller Höhen und Tiefen, die uns das Leben bietet.“ Bildlich gesehen beschreibt Gerd das Glück als eine Sinuskurve mit gemäßigten Amplituden. Führt man sich dieses Bild der Schwingung vor Augen, darf man sich auch einfach zurücklehnen und sein „Glück“ im Ganzen betrachten, die Schwankungen im Leben annehmen und darauf vertrauen.
Planloses Glück
Das Vertrauen erwähnt auch Helen Heinemann im Zusammenhang mit Glück. Sie meint, wir tendieren dazu, immer mehr zu planen und einzuteilen. Eben auch das Glück. Wenn wir uns die Dinge so zurecht legen, dass es eigentlich nur zum Glück auf allen Ebenen führen kann, steigt damit auch die Befürchtung, dass sich die Dinge anders als geplant entwickeln könnten. (2) Damit setzen wir uns selbst unter Druck, auch alles geplante Glück erreichen zu müssen.
„Es ist paradox: Gerade dann, wenn Glück und Erfüllung garantiert scheinen, wird das Leben auf einmal unerklärlich schwer. Alles scheint festgelegt. Alles fordert meine Aufmerksamkeit.“ (3)
Aus Heinemanns Sicht verlieren wir das Vertrauen, dass uns das Leben auch in anderer Form glücklich machen könnte. Wir legen uns auf eine Form des Glücks fest, so Heinemann, und versagen uns damit die Offenheit, „dass es das Leben auch in anderer Weise mit mir gut meinen könnte.“ (3)
Eine Idee die, wie ich finde, den Druck nimmt, an seinem Glück ständig schmieden bzw. es durchplanen zu müssen. Die Erwartungshaltung und auch den Anspruch an sich selbst, „besser“ und ständig glücklich sein zu müssen, verlieren dadurch an Bedeutung.
Heinemann geht soweit, dass sie meint, wir sollten nicht die Spielfreude und Leichtigkeit im Leben verlieren, nur um mit aller Kraft glücklich zu werden. Das bezieht sich auch auf die eingangs erwähnte Work-Life Balance, deren Waagschalen wir immer praller füllen sowohl auf der „Work“ als auch auf der „Balance“ Seite. Das heißt, wir tendieren immer mehr dazu den Freizeitkalender ebenso wie einen Arbeitskalender in feste Zeitblöcke einzuteilen. „Genau das ist es, was die perfide Wirkung von Work also dem Energiefresser, und Life, der Glückszeit, mit sich bringt: neuer Druck.“ (4). Das bedeutet, dass wir die frei Zeit alles andere als „frei“ gestalten. Frei bedeutet eben nicht verplant sondern offen gestaltbar.
Um nicht in einen „ich muss glücklicher werden“ Wettkampf mit sich selbst und anderen zu verfallen können wir uns überlegen, auf welche Art und Weise wir gerade versuchen unser Glück zu finden. Dabei können wir zusammenfassend auf folgendes achten:
1. Den Unterschied zwischen einem Glücksmoment und dem dauerhaften Glück bewusst machen
2. Die einzelnen Begriffe rund um das Wohlbefinden differenzieren und damit die Erwartungshaltung eingrenzen.
3. Daran denken, dass das Glück etwas Individuelles ist und weder gemessen noch verglichen werden kann.
4. Darauf vertrauen, dass nach einem Tief auch wieder ein Hoch kommt. Das Glück als Summe aller Höhen und Tiefen betrachten.
5. Dem Glück eine Chance geben und das Glück nicht zu einem geplanten Projekt werden lassen. Es kann auch einfach passieren.
Für eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema Glück und Stress kann ich das aktuelle Buch empfehlen:
Helen Heinemann: Warum Stress glücklich macht. Oder: Wieso wir aufhören sollten zu entspannen. 2015, Adeo.
Ich finde die alternative Sichtweise von Heinemann erfrischend und entlastend, wobei ich persönlich meine, dass der Inhalt des Buches nicht den Erwartungen des Titels entspricht, allerdings im positiven Sinne.
(1) Wilhelm Schmid: „Die Menschen werden des Glücks müde.“ Ein Gespräch mit dem Philosophen Wilhelm Schmid über Glück, Unglück und Melancholie. In: Psychologie Heute, 10/2012, S.22.
(2) vgl. Helen Heinemann: Warum Stress glücklich macht. Oder: Wieso wir aufhören sollten zu entspannen. 2015, Adeo, S.87
(3) ebenda, S.87
(4) ebenda, S.88
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