Ein Artikel in der September-Ausgabe der Zeitschrift „Psychologie Heute“ und die Tatsache, dass ich immer mehr 25-35-Jährige kenne, die durch Stress und Selbstüberforderung an der Grenze einer Burnouterkrankung stehen, haben mich nachdenklich gestimmt. Ist es etwa eine Generationenfrage, wie gut oder schlecht man mit Stress umgeht oder ob man eher mehr oder weniger burnoutgefährdet ist? – Autorin: GF
Wer mich kennt, weiß, dass ich mich beruflich nicht nur mit dem Thema Betriebliche Gesundheitsförderung, sondern auch mit Employer Branding beschäftige. Und dabei geht es auch immer wieder um die Frage: Wie ticken unsere Mitarbeiter? Was sind die Bedürfnisse potentieller Bewerber? Was erwartet sich die sogenannte „Generation Y“ vom Leben und von der Arbeitswelt? Zu dieser Generation zählen Menschen, die in der Zeit zwischen 1980 und 1995 geborenen sind. Sie gelten als große Sinnsucher, legen Wert auf Individualität, sind freizeitliebend und haben einen starken Fokus auf gemeinschaftliche Formen wie Freunde und Familie. Eigentlich alles Faktoren, die eine gute Basis für seelische Gesundheit darstellen. Trotzdem nehmen psychische Störungen bei den Ypsilonern nach neuesten Studien überproportional zu[1], und weiß ich, dass viele meiner ehemaligen Kollegen sich nur mit Unterstützung von Coaching, Psychotherapie oder vereinzelt gar mit Beruhigungsmitteln durch ihren Job schleppen. Was belastet diese Menschen so sehr?
Gesellschaftliche Herausforderungen
In einem Alter, in dem unsere Eltern längst schon verheiratet waren und mitten in der Familiengründung steckten, sind heutige Ypsiloner noch mit Ausbildung und erster Jobsuche beschäftigt. Sie wohnen deutlich länger zuhause als frühere Generationen, viele starten erst mit Anfang 30 in ihren ersten Vollzeitjob. „Die unzähligen Möglichkeiten, die ihnen nach Abitur oder Ausbildung vermeintlich offenstehen, empfinden die meisten als eher belastend denn bereichernd.“ so Anne-Ev Ustorf in Psychologie Heute.
Zudem sind die Mitglieder der Generation Y in einer Zeit ständigen Wandels aufgewachsen: Internet, Globalisierung, Finanzkrise und Klimawandel haben zu einem volatilen Lebensgefühl beigetragen und fordern die junge Generation heraus, sich und ihre Lebensplanung immer wieder den neu gewandelten Realitäten anzupassen.[2] Dazu kommt eine kontinuierliche Beschleunigung in vielen Lebensbereichen. Sei es der digitale Fortschritt oder die Verkürzung der Ausbildungszeiten wie z.B. durch das Bachelorstudium. Letzteres dürfte mit ein Grund dafür sein, dass in Deutschland jeder zweite Student extrem angestrengt ist, „ein Fünftel leider gar unter einer diagnostizierten psychischen Störung wie Depressionen, psychosomatischen Erkrankungen, Anpassungs- und Belastungsstörungen oder Angsterkrankungen.“[3]
Die Generation Y in der Arbeitswelt
Man sagt ihnen zwar immer wieder nach, dass sie es sich lieber gemütlich machen und die Freizeit der Arbeit vorziehen. Dabei geht es den Millenials, wie die Generation Y auch genannt wird, vielmehr um Flexibilität, um Vereinbarkeit von Privatleben und Arbeit und um den Wunsch nach einer sinnstiftenden Beschäftigung. Wo noch vor einiger Zeit der Begriff „Work-Life-Balance“ im Mittelpunkt stand und damit die Frage nach Arbeit oder Leben, hat sich nun eher ein „Work-Life-Blending“ durchgesetzt. Die Generation Y will beides, arbeiten und leben, und hat gelernt, mit den verschwimmenden Grenzen von Arbeit und Freizeit umzugehen. Da kommt es schon einmal vor, dass die teilzeitbeschäftigte Mutter nachmittags ihre Kinder betreut und abends wieder den Laptop aufklappt um E-Mails abzuarbeiten. Auf der Suche nach einer Aufgabe, die Sinn macht und zu einem erfüllten Leben beiträgt, gehen viele Ypsiloner ihrem Job mit großer Leidenschaft nach. Oft mit zu viel Leidenschaft. So, dass ständige Erreichbarkeit, Überstunden und überhöhtes Engagement auch immer wieder zu Überforderung und Erschöpfung führen.
Die neue Achtsamkeit der Generation Z [4]
Aber die nächste Generation steht schon vor der Tür und sie tickt anders, teilweise sogar deutlich anders als die Generation Y. Und das macht Hoffnung darauf, dass es in Hinblick auf den Umgang mit Stressoren und unserer schnelllebigen Zeit ein Umdenken gibt. Die Nachfolgegeneration der Millenials nennt sich „Generation Z“, dazu zählen all jene, die in der Zeit zwischen 1995 und 2010 geboren sind. Christian Scholz, Professor an der Universität des Saarlandes, beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage, wodurch sich diese neue Generation auszeichnet. Eine seiner spannendsten Erkenntnisse ist wohl, dass diese jungen Leute, die nun gerade in der Lehre, im Studium oder in ihren ersten Jobs stecken, so etwas wie eine neue Achtsamkeit entwickelt haben dürften.
Jahrelang haben sie beobachtet, dass die Generation Y bis spät abends bei der Arbeit saß, sich dabei verausgabt und überfordert hat. Daraus dürften viele Z-ler gelernt haben und äußern nun den Wunsch nach einer strikten Trennung zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Dies soll die Erholung erleichtern und aus dem Feierabend wieder eine echte Qualitätszeit für Körper und Geist machen.
Es dürfte also stimmen, dass auch die jeweilige Zeit in der wir aufwachsen und leben mit all ihren gesellschaftlichen, sozialen und technischen Gegebenheiten einen wesentlichen Einfluss auf unsere Arbeitsweise, Stresserlebnisse und Stressbewältigungsfähigkeit haben. Umso mehr sind wir gefordert, uns mit diesen Dynamiken bewusst auseinanderzusetzen und geeignete Schutzmechanismen zu entwickeln. Wir dürfen gespannt sein, ob es den kommenden Generationen gelingen wird, dies auch in Zeiten der Digitalisierung zu verwirklichen. Ich halte jedenfalls die Daumen.
[1] Ustorf, Anne-Ev (2017): Generation Y. Jung und unbeschwert? in „Psychologie Heute“ (September 2017). S. 58ff.
[2] Ustorf, Anne-Ev (2017): Generation Y. Jung und unbeschwert? in „Psychologie Heute“ (September 2017). S. 59
[3] Ustorf, Anne-Ev (2017): Generation Y. Jung und unbeschwert? in „Psychologie Heute“ (September 2017). S. 63
[4] Scholz, Christian (2017): die-generation-z.de (28.10.2017)
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