Erst kürzlich habe ich es wieder in einem Gespräch mit einem Kunden gehört: „Was betrifft uns als Unternehmen das, wenn ein Mitarbeiter Burnout hat? Das kommt doch alles aus dem Privaten und geht uns nichts an.“ Sehr oft schon sind mir solche oder ähnliche Aussagen begegnet und ich argumentiere immer vehement dagegen. Andererseits steht natürlich außer Frage, dass Gesundheit etwas sehr Privates ist und gerade persönliche Krankheitsdaten äußerst schützenswert sind. Ob Gesundheit nun Sache jedes einzelnen Mitarbeiters ist, um die er sich selbst zu kümmern hat, um ‚bittschön‘ fit für die tägliche Arbeit zu sein – daran scheiden sich die Geister. Grund genug mich mit dem Thema im aktuellen Blogartikel einmal auseinanderzusetzen. – Autorin: GF

Irrtum 1: Psychische Probleme wie z.B. ein Burnout entstehen nur durch private Krisen

Ja, es stimmt. Manchmal ist es gerade eine Trennung, ein schwerer Krankheitsfall in der Familie oder der Tod eines geliebten Menschen, der das Fass in Richtung Burnout zum Überlaufen bringt. Aber private Tiefschläge sind nur einer von vielen Aspekten, die zu einer Burnout-Erkrankung führen können. In den allermeisten Fällen ist es eine Kombination aus verschiedenen Faktoren, die Menschen in die totale Erschöpfung bringt. Hoher Druck in der Arbeit, der dazu führt, dass kaum mehr Zeit für soziale Kontakt bleibt, körperliche Beschwerden, die sich parallel dazu einstellen und dann eben vielleicht noch eine Krise in der Familie. Gerne verweise ich hier auf das Käfer-Modell von Dr. Mirriam Prieß, das klarmacht, wie wichtig eine ausgewogene Balance der Lebensbereiche ist, um gesund zu bleiben und dass es eben nicht nur die Arbeit oder ausschließlich das Privatleben ist, das ein Burnout auslöst.

Irrtum 2: Gesundheit liegt in der alleinigen Verantwortung des Mitarbeiters

Unser Gesundheitszustand wird zu einem großen Teil durch unsere eigene Lebensführung beeinflusst. Ob wir uns halbwegs gesund ernähren, wie oft wir sportlich aktiv werden, wie gut wir unsere sozialen Kontakte pflegen und ob wir unserem Körper ausreichend Schlaf gönnen – all das haben wir maßgeblich selbst in der Hand. Entscheidend dafür, ob wir genug Zeit und Energie haben, all diesen Dingen Platz in unserem Leben zu geben, sind aber auch Umfeld- und Arbeitsbedingungen, denen wir als Arbeiter, Angestellte oder Führungskräfte ausgesetzt sind. Deshalb spricht man in der betrieblichen Gesundheitsförderung auch stets vom wichtigen Zusammenspiel aus Verhalten (das durch den Mitarbeiter selbst bestimmt ist) und Verhältnissen (also den Arbeitsbedingungen). Andererseits ist auch es so, dass gesund zu sein eine notwendige Voraussetzung für Leistungsfähigkeit und damit auch für Produktivität, Motivation, Innovationsgeist und Arbeitsfähigkeit bis ins hohe Alter bedeutet.[1] Insofern sollte es einem Arbeitgeber – auch ganz nüchtern ökonomisch betrachtet – sehr wohl am Herzen liegen, dass seine Belegschaft gesund bleibt und dass er dafür entsprechende betriebliche Maßnahmen setzt.

Irrtum 3: Als Arbeitgeber muss ich die Privatsphäre des Mitarbeiters wahren und darf ihn nicht auf mögliche Probleme ansprechen

Ganz klar, Datenschutz und das Recht auf Privatsphäre stehen gerade beim Thema Gesundheit an oberster Stelle. Dem gegenüber steht aber auch die Fürsorgepflicht einer Führungskraft bzw. eines Arbeitgebers in Hinblick auf seine Mitarbeiter.

Gerade in der Privatwirtschaft ist es außerdem fast verpönt, über persönliche Schwachstellen und Gebrechen zu sprechen oder ganz offen zuzugeben, dass einem eine Situation mehr zusetzt als anderen Kollegen. Wer Stärke zeigt und Durchhaltevermögen beweist, der gilt als angesehen und dem wird auf die Schulter geklopft. Einen Paradigmenwechsel können hier die direkten Vorgesetzten in ihrem Team einläuten: Auch, wenn es sich unangenehm, schwierig und heikel anfühlen mag, einem Teammitglied zu sagen, dass man sich Sorgen macht, es ist oft ein ganz wichtiger Schritt um eine vielleicht schwelende Erkrankung noch abzufangen. Wie so ein Gespräch einfühlsam aber doch wirkungsvoll ablaufen kann, habe ich bereits in einem früheren Blogbeitrag beschrieben. Manche Firmen gehen sogar soweit, Gesundheit ganz bewusst zum alltäglichen Gesprächsthema zu machen. Z.B., wenn ein offensichtlich übergewichtiger Mitarbeiter immer den Lift nimmt anstatt Stiegen zu steigen. „Ein Mitarbeiter soll sich im Klaren darüber sein, dass er es [Anm.: gesundheitsförderliche Aktivitäten setzen] allein für sich tut. Nur so gelingen Verhaltensänderungen. Vom Ergebnis hat auch der Arbeitgeber etwas – quasi als Abfallprodukt.“, so Dr. Wolfgang Matz vom deutschen TÜV.[2] Auch aus Mitarbeitersicht kann ein offener Umgang mit z.B. einer chronischen Erkrankung lohnend sein, wenn dadurch Maßnahmen in Gang gesetzt werden, die eine Erleichterung im Arbeitsalltag oder Verständnis der Kollegenschaft mit sich bringen.[3]

Gesundheitskompetenz als Schlüsselbegriff

Bei allem Für und Wider – wie findet man nun die richtige Balance zwischen Selbstverantwortung und Arbeitgeberverpflichtung? Unumstößlich bleibt für mich, dass der Arbeitgeber für die Gestaltung guter, menschengerechter Arbeitsbedingungen zuständig ist – dazu gibt es ja auch gesetzliche Vorgaben. Darüber hinaus sind es meiner Meinung nach noch zwei weitere wichtige Aspekte: Der eine heißt Gesundheitskompetenz oder „health literacy“. Darunter versteht man die „Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden, um im Alltag angemessene Entscheidungen zur Gesundheit treffen zu können“. [4] Die Gesundheitskompetenz bewusst zu fördern bedeutet, die Eigenverantwortung der Mitarbeiter für das Wohlbefinden von Körper, Geist und Seele zu stärken. Das kann über Info-Veranstaltungen oder Impuls-Vorträge erfolgen oder aber über einfache Gesundheits-Checks wie zB. HRV(Herzratenvariabilität)-Testungen, bei denen der individuelle Gesundheitsstatus und das biologische Alter einer Person festgestellt werden.

Der zweite wichtige Aspekt ist die Vorbildwirkung von Führungskräften. Wenn ein Vorgesetzter konsequent beim Firmenlauftreff mittwochs um 18.00 Uhr teilnimmt, am Wochenende keine Emails schreibt und sich in der Mittagspause Zeit für eine gesunde, warme Mahlzeit nimmt, dann hat das eine starke Wirkung auf Mitarbeiter. Wenn er dann noch ganz ohne Scheu zugibt, dass auch er manchmal hart mit seinem inneren Schweinehund zu kämpfen hat, dann wird Gesundheit zu einer ganz normalen Sache, die im Arbeitskontext Raum einnehmen darf und soll, aber vor allem positive Auswirkungen auf die persönliche Konstitution und das Wohlbefinden eines jeden Einzelnen hat.

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[1] Lümkemann, Dirk (2016): Gesundheitsverhalten ist keine Privatsache. Online unter https://www.xing.com/news/klartext/gesundheitsverhalten-ist-keine-privatsache-1010 (10.10.2016)

[2] Matz, Wolfgang (2016): Gespräche rund um Gesundheit sind Fürsorge. Online unter https://www.xing.com/news/klartext/gesprache-rund-um-gesundheit-sind-fursorge-997 (10.10.2016)

[3] Kastlunger, Marianna (2016): Gesundheitszustand ist Privatsache. Online unter http://www.tt.com/wirtschaft/arbeitsmarkt/11047715-91/gesundheitszustand-ist-privatsache.csp (10.10.2016)

[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Gesundheitskompetenz

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