Ich möchte cool sein. Ich möchte keine Schwächen zeigen. Ich will immer fröhlich sein. Die Ansprüche an unsere Persönlichkeit sind vielschichtig und oft unerreichbar. Je weiter diese Wünsche und die Realität auseinanderklaffen, umso enttäuschter sind wir von uns selbst. – Autor: GS
Wir haben sehr viele Ansprüche an uns selbst. Dabei meine ich jetzt weniger konkrete Ziele wie „ich will gut verdienen“ oder „ich möchte ein schönes Haus“, sondern Erwartungen an die eigene Persönlichkeit. In der Arbeit wollen wir uns leistungsfähig präsentieren, möglichst keine Schwächen zeigen. Auf der Party wollen wir gut drauf, fröhlich und lustig sein. Wenn uns jemand verbal angreift, wollen wir gelassen bleiben und schlagfertige Antworten geben.
Hohe Ansprüche machen uns frustriert und unzufrieden
Doch wie geht es uns, wenn wir feststellen, dass wir nicht so sind wie wir es gerne hätten? Hier liefert die Selbstdiskrepanztheorie von E. Tory Higgins (1) gute Hinweise. Higgins spricht von dem realen Selbst, also wie wir selbst glauben zu sein, und dem idealen Selbst, also wie wir gerne sein möchten. Eine große Differenz zwischen realem und idealem Selbst macht uns verwundbar für Enttäuschung und Unzufriedenheit. Darüber hinaus frustrieren uns unerfüllte Hoffnungen und Wünsche.
Hohe Erwartungen und damit verbundene Enttäuschungen treiben viele Menschen ins Burnout. An dem Burnoutsyndrom erkrankte Menschen haben einen äußerst hohen Anspruch an sich selbst, meint auch Frau Dr. Prieß.(2) Zudem gehören unrealistische Standards und ungünstige Vergleichsmaßstäbe zum typischen Selbstbild eines depressiven Menschen.(3)
Ansprüche herunterschrauben zur Stressbewältigung und Burnoutprävention?
Die zuletzt genannten Erkenntnissen zeigen, dass zu hohe Ansprüche an uns selbst, Stress verursachen und depressiv machen. Im Sinne einer Burnoutprophylaxe sollte man etwas gegen einen großen Unterschied von realem und idealem Selbst tun, aber wie?
Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten: Erstens, wir versuchen so zu werden wie wir es uns wünschen. Oft ein steiniger Weg, da wir dies ohnehin anstreben. Oder, zweitens, wir hinterfragen unsere Ansprüche und schrauben sie etwas herunter. Ist es wirklich immer so gut, keine Schwächen zu zeigen? Ist es nicht auch okay sich auf einer Feier zurückzuhalten und es anderen zu überlassen, gute Stimmung zu verbreiten?
Auf Motive und Ziele achten
Viele unserer Ansprüche haben ihre Wurzeln in der Kindheit und hängen sehr stark mit den Erwartungen zusammen, die die Eltern oder unser Umfeld an uns gestellt haben. Hier empfiehlt es sich achtsam zu sein, welche Anforderungen wir an uns selbst stellen und wo diese herkommen. Es ist ratsam, von Zeit zu Zeit zu reflektieren, was der Zweck dieser Erwartungen ist und diese mit unseren wahren Zielen zu vergleichen.
In diesem Sinne sollten wir uns von unwichtigen und unrealistischen Idealen und Ansprüchen trennen. Wir werden belohnt mit weniger Stress und mehr Gelassenheit. Manchmal ist es eben stressfreier Clark Kent zu sein und nicht den Superman heraushängen zu lassen.
Im besten Fall hält man es wie Carl R. Rogers, der es für ein Lebensziel hält „to be that self which one truly is.“(3), also so zu sein wie man in Wahrheit ist. Aber das ist wieder ein anderes Thema.
(1) Tory Higgins (1987): Psychological Review, Vol. 94, No. 3 – S. 319ff. New York: American Psychological Association, Inc.
(2) Dr. med. Miriam Prieß (2004): Burnout kommt nicht nur vom Stress (3.Auflage), S. 36. München: Südwest Verlag
(3) Helga E. Schachinger (2002): Das Selbst, die Selbsterkenntnis und das Gefühl für den eigenen Wert – S. 231. Bern: Verlag Hans Huber
(4) Carl R. Rogers (1961): On becoming a Person – S. 166. New York: Houghton Mifflin Company
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