„Echt, DER hat ein Burnout? Der weiß ja gar nicht was Stress bedeutet! Der hat ja noch gar nichts geleistet in seinem Leben. Der hat ja eh einen gemütlichen Job!“ Diese und ähnliche Vorurteile haben mich dazu motiviert, das Buch „Burnout kommt nicht nur von Stress“ zu lesen. Darin wirft die Autorin einen völlig neuen Blickwinkel auf das Thema. Einen, der meiner Meinung nach viel grundlegendere Ursachen des Burnout-Syndroms aufdeckt, als es bisherige Literatur zum Thema getan hat. Autor: GF

Schon lange liegt es mir am Herzen, mich endlich einmal dazu zu äußern. Burnout hat in unserer Gesellschaft teilweise noch einen richtig schlechten Ruf. Klingt komisch, ist aber so. Wer Burnout nicht als Modeerscheinung oder als von den Medien gepushtes Thema abstempelt, tut sich zumindest oft noch schwer, zu respektieren, dass Burnout ein ernstzunehmendes Phänomen ist. Dass Menschen, die daran erkranken nicht einfach nur faul oder zu zart besaitet für diese Welt sind, sondern, dass sie tatsächlich extrem belastet, arbeitsunfähig und teilweise am Ende ihrer Kräfte und Erholungsfähigkeit sind.

Gerade in Hinblick auf Pädagogen, bei denen das Burnout-Syndrom häufig auftritt, höre ich immer wieder die Unterstellung: „Warum soll ein Lehrer Burnout haben? Der arbeitet keine 40 Stunden pro Woche in der Schule und hat Sommerferien, Weihnachtsferien, Osterferien, …“. Dass der Begriff Burnout in den 70er Jahren erstmals im Zusammenhang mit sozialen Berufen genannt wurde, spiegelt sich auch in einer der drei zentralen Ursachen wider, die Prof. Dr. Gert Kaluza in seinem Buch „Stressbewältigung“ aufzeigt. Neben Arbeitssucht und perfektionistischen Kontrollambitionen werden dort auch enttäuschte Erwartungen als möglicher Ursprung einer Burnout-Erkrankung genannt.[1] Diese entstehen, wenn trotz großem Engagement Ziele nicht erreicht werden, Erfolge nicht eintreten und Anerkennung ausbleibt. Dh. auch hier zeigt sich schon, dass nicht nur stressige Jobs, Zeitdruck und zu viel Arbeit einen Menschen ins Burnout treiben können. Wir kommen der Sache noch näher, wenn wir uns ansehen, was hinter den genannten Ursachen steckt.

Dr. med Mirriam Prieß beschreibt es in ihrem Buch „Burnout kommt nicht nur von Stress“ so: „Der meiste Stress tritt in Beziehungen auf – in der Beziehung zu sich selbst oder in der Beziehung zur Umwelt“. Hierin liegt auch die zentrale Aussage ihres Buchs. Menschen brauchen gute soziale Kontakte auf Augenhöhe – egal ob im Privaten oder im Berufsleben. Und noch viel wesentlicher: Viele erschöpfen und brennen aus, weil sie die Beziehung zu sich selbst, den inneren Dialog verloren haben. Was ist damit gemeint? „Auf sich selbst und die eigenen Gefühle zu hören, mit sich selbst in Kontakt zu treten – dies nenne ich ‚die innere Dialogfähigkeit‘“, so die Autorin. Mit der eigenen Identität vertraut zu sein, ist laut Dr. Prieß Grundvoraussetzung dafür, dass wir ein wesensgemäßes Leben führen. Und nur durch ein Leben, das unseren Bedürfnissen entspricht und das unsere individuellen Grenzen achtet, können wir gesund und leistungsfähig bleiben.[2]

 

Das Käfermodell

Sehr hilfreich finde ich auch das im Buch vorgestellte „Käfermodell“, eine Erweiterung des recht bekannten Lebensbalancemodells. Dr. Prieß unterscheidet dabei 6 wesentliche Lebensbereiche – analog zu den 6 Beinen eines Käfers: Beruf, Familie & Partnerschaft, Gesundheit, soziale Kontakte, Individualität & Hobbys, Glaube & Spiritualität. Jene Bereiche, in denen wir gut aufgestellt sind, in denen wir uns „zuhause“ fühlen, sind Quellen zum Kraftschöpfen und die uns in schwierigen Zeiten stabilisieren. Wie auch beim Lebensbalancemodell gilt: Je weniger Lebensbereiche ausgebildet sind, umso härter treffen uns auftretende Konflikte und umso größer ist die Gefahr auszubrennen. Relevant ist darüber hinaus aber auch die Gewichtung der einzelnen Standbeine: „Jemand, der sich zum Beispiel sehr über die Partnerschaft definiert, wird eher unter einem Partnerschaftskonflikt ausbrennen als jemand, der seine Identität im beruflichen Bereich sieht.“ Die Autorin berichtet u.a. von einer Frau, die aufgrund eines Burnouts in klinischer Behandlung war. Auslöser war der Tod ihrer Katze. Das Tier war Ersatz für fehlende Hobbys, Partnerschaft und soziale Kontakte – 3 Standbeine also, die damit alle auf einmal wegbrachen.[3] Das Käfermodell verdeutlicht sehr gut, warum Menschen oft aufgrund scheinbar kleiner Dinge, Krisen im privaten Bereich und eben nicht nur durch arbeitsbedingte Überlastung am Burnout-Syndrom erkranken.

 

Aufforderung zu einem wesensgemäßen Leben

Was aber können wir nun konkret tun, um Balance zu halten und im inneren Dialog mit uns zu bleiben? Dr. Prieß ist der Meinung, dass Burnout weit mehr ist als ein Ausdruck von Überforderung. Vielmehr sei es eine Aufforderung zu einem authentischen und wesensgemäßen Leben. Im letzten Teil ihres Buches fasst sie deshalb zahlreiche praktische Tipps zusammen, mit denen wir zu einem solchen, unserer Identität entsprechenden, Leben gelangen. Allen voran steht der Appell, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und Stress, Belastungen und Konflikte nicht im Außen lösen zu wollen. Suchen Sie den Dialog zu sich selbst! Wie sind Sie in den verschiedenen Lebensbereichen aufgestellt? Warum stehen Sie nicht dort, wo Sie stehen sollten? Worüber freuen Sie sich, was hemmt Sie? Wer sind Sie, was wollen Sie im Leben erreichen und wo liegen Ihre Grenzen? Die Autorin empfiehlt außerdem, bestehende Konflikte so rasch wie möglich proaktiv zu klären, anstatt Dinge zu schlucken, zu kompensieren oder zu beschönigen.[4]

Burnout geht uns also alle an. Es kann jedem von uns passieren, egal ob Hausfrau und Mutter, gestresster Manager oder leidenschaftlicher Lehrer. Achten wir auf unsere persönlichen Lebensbereiche, bleiben wir mit uns selbst in einer guten Beziehung und hören wir stattdessen auf, andere für ihre scheinbar mehr oder weniger ausgeprägte Belastbarkeit zu verurteilen.

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[1] Kaluza, Gert (2011): Stressbewältigung. Trainingsmanual zur psychologischen Gesundheitsförderung. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag.

[2] Prieß, Mirriam (2014): Burnout kommt nicht nur von Stress. Warum wir wirklich ausbrennen – und wie wir zu uns selbst zurückfinden. München: Südwest Verlag.

[3] Prieß, Mirriam (2014): Burnout kommt nicht nur von Stress. Warum wir wirklich ausbrennen – und wie wir zu uns selbst zurückfinden. München: Südwest Verlag.

[4] Prieß, Mirriam (2014): Burnout kommt nicht nur von Stress. Warum wir wirklich ausbrennen – und wie wir zu uns selbst zurückfinden. München: Südwest Verlag.

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